Zollreform, die Zweite – Expertenanalyse von Ole Zimmer im AEB-Podcast zur EU-Reform

In der neuesten Folge des AEB-Podcast „Freier Verkehr“ nimmt unser Head of Customs, Ole Zimmer, die bevorstehende EU-Zollreform 2024 unter die Lupe. Ole diskutiert die Einführung eines zentralen EU-Zolldaten-Hubs, die neue Klassifizierung als Trust and Check Trader und die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 € für den E-Commerce. Er bietet detaillierte Einblicke, wie diese Änderungen E-Commerce-Unternehmen und andere Akteure beeinflussen werden, und gibt praktische Ratschläge. von

Es passiert vermutlich nicht so oft, dass die Gesetzesgrundlage, auf die eine ganze Laufbahn beruht, komplett überarbeitet wird. In meiner Laufbahn im Bereich Zoll ist das Jahr 2024 jetzt schon die zweite Revolution im Zoll.

UZK-Einführung 2013

Erste große Veränderung war die Einführung des Unionszollkodex 2013 (Verordnung (EU) Nr. 952/2013) – mit dem Ziel der Kodifizierung einer europäischen Gesamtansicht des Zollrechts, die alle Veränderungen und neue technische Möglichkeiten seit 1992 aufgenommen hat.

Die Ausläufe und nötigen IT-technischen Anpassungen an die in der Verordnung implementierten Prozesse und Möglichkeiten beschäftigen uns heute noch (z. B. bei den mitgliedsstaatenübergreifenden Bewilligungen). Siehe hierzu das Arbeitsprogramm der EU (UCC – Work Programme) und die Projekt-Timeline.

Das bedeutet also im Klartext, noch sind gar nicht alle im Gesetz von 2013 festgeschriebenen Funktionen und Prozesse durchführbar, schlicht, weil es an den IT-Systemen und besonders der Verbindung dieser untereinander in die 27 Mitgliedstaaten fehlt. Hier sieht der Zeitplan aber zumindest so aus, dass gegen 2025 bis 2026 alle Projekte umgesetzt werden sollen. GENAU ZUR RECHTEN ZEIT FÜR …

2024: Neue EU-Zollregeln für den globalen Handel

Nun, über zehn Jahre nach der Einführung des „Unionszollkodex“ befinden wir uns wieder in einer Umbruchphase: Die EU-Kommission hat einen Entwurf für eine neue Verordnung zum EU-Zollrecht vorgestellt und das EU-Parlament hat auch schon seine erste Adaption vorgestellt und Anpassungen vorgenommen.

In diesem sollen die erneut stark veränderten Umstände im heute alltäglichen globalen Handel abgebildet werden, besonders im Rahmen von E-Commerce und der verschiedenen Ausprägungen dessen (besonders der Aufstieg von sog „Cross-border E-Commerce Transaktionen“). Ein wichtiger Schritt ist auch, die inzwischen veränderte Steuergesetzgebung (Wegfall der 22 € Einfuhrumsatzsteuerfreigrenze im Jahr 2021), mit den notwendigen Anpassungen, in das Zollrecht einfließen zu lassen. Die bevorstehenden Änderungen haben wir bereits im Hinblick auf E-Commerce in einem Artikel dargestellt.

Natürlich enthält der Entwurf auch diverse Änderungen für Unternehmen und die Industrie z. B. die mögliche Änderung bei der maximalen Dauer der vorübergehenden Verwahrung (aktuell 90 Tage, erster Entwurf 3 Tage, nun wieder 90 Tage) oder dem neuen Trust and Check Trader, viele Unternehmen sind ja bis dato AEO und es wird für diese eine große Frage werden, je nach genauem Anforderungsprofil and den Trust and Check Trader, ob sich der Aufwand und die Investition in dieses „Upgrade“ lohnt.

Der aktuelle Entwurfsstatus

Man muss klar artikulieren, dass sich die Reform im Entwurfsstatus befindet und noch einige Hürden im EU-Parlament und im EU-Rat wird nehmen müssen, bis die endgültige Verordnung und die zugehörigen Durchführungsrechtsakte zur Verfügung stehen. Es ist aber natürlich trotzdem nicht verwunderlich, dass dieser Entwurf nun auf vielen Ebenen diskutiert und besprochen wird, besonders in diesem Status, wo noch die Möglichkeit besteht, Einfluss auf die finale Verordnung und Ihre anhängenden Rechtsakte besteht. Erfahrungsgemäß sind die Fristen, besonders für die Einführung von IT-Systemen, recht lang ausgelegt, was bedeutet, dass viele Kolleg:innen im Zollbereich noch zwanzig oder mehr Jahre mit der Reform und den Auswirkungen zu tun haben werden.

E-Commerce und Automatisierung: Ziele der Reform

Großes Ziel der Reform ist es, neue Geschäftsmodelle und Gegebenheiten Rechnung zu tragen und dabei den administrativen Aufwand gering zu halten, bzw. durch Automatisierung bewältigbar zu halten.

  • Neue Geschäftsmodelle wie E-Commerce bzw. genauer Cross-border E-Commerce Rechnung tragen.
    • Was andere Gebiete wie das Umsatzsteuerrecht schon getan haben.
  • Gleiche Voraussetzungen schaffen für alle Wirtschaftsbeteiligten in der ganzen EU
    • Mitgliedsstaatenübergreifende Bewilligungen, sollten mit einem EU-Zollsystem viel einfacher umsetzbar sein.
  • In diesem Schritt noch stärker auf IT zu setzen

Wir können uns diesen Zielen sicher zum Großteil anschließen, haben aber zu Recht die Skepsis, dass die EU in der Vergangenheit bei IT-Projekten und Timelines nicht gerade den besten Eindruck gemacht hat, und immer, wenn die eine Entscheidung zwischen „praktikabler Lösung“ und „mit noch mehr Aufwand und Anforderung an die Firmen“ bestand, zugunsten des letzteren entschieden wurde.

Zeitplan

Auf der Webseite der EU ist noch der Zeitplan aus dem originalen Entwurf der EU-Kommission zu sehen, in dem Text, der durch das Parlament angepasst wurde, wurden diese vorgezogen (z. B. statt 2028, 2026). Ob diese, sehr engagierten Ziele auch eingehalten werden können, bzw. auch die weiteren Lesungen bis zur Ratifizierung überstehen, bleibt abzuwarten. Es ist davon auszugehen, dass die mit der operativen Umsetzung der Vorlage (Mitgliedstaaten, IT-Systemanbieter) mehr Zeit erbeten werden, um die doch gravierenden Änderungen in funktionierende operative und IT-Prozesse umsetzen zu können.

Ich gehe nicht davon aus, dass es der EU gelingen wird, in nicht mal zwei Jahren einen „Customs Data Hub“ auf die Beine zu stellen, auch wenn es nur eine abgespeckte Version (auf E-Commerce ausgelegt) sein soll. Eine zügige Umsetzung begrüße ich ausdrücklich, aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit ist hier aber Vorsicht geboten – für die Wirtschaftsbeteiligten ist erst mal „abwarten und Tee trinken“ der beste Rat.

Was Unternehmen erwartet

Der Entwurf und die Wünsche des Gesetzgebers für die Zukunft des Zolls haben einiges an Diskussionen ausgelöst – und dies zu Recht. Es sind noch viele Fragen zu klären und an diversen Stellen passt einfach das Verständnis des Gesetzgebers nicht in die alltägliche Realität der Wirtschaftsbeteiligten und Zollagenten. Hier möchte ich auf sehr gute Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände verweisen:

Die angesprochenen Punkte sind von hoher Relevanz für die beteiligten Parteien wie Zollagenten, Speditionen und eine rechtliche Unsicherheit bei Begriffen wir Einführer und Ausführern sollte dringendst vermieden werden. Besonders das Thema der „indirekten Vertretung“ (auch dieses Thema haben wir in einem früheren Beitrag etwas genauer beleuchtet) – entwickelt sich zu einem harten Anschlagpunkt, das ist für die Industrie (CBAM etc.) genauso der Fall wie für E-Commerce beteiligte (und hat ggf. auch Auswirkungen auf bisher etablierte Modelle wie die DAP-Abfertigung an Endkunden über Express-Netzwerke).

„Freier Verkehr“ Podcast von AEB: Ole Zimmer zur EU-Zollreform

In diesem Rahmen war ich Gast beim Podcast der AEB SE „Freier Verkehr“, der sich mit Zollthemen aus der Sicht von Praktikern beschäftigt, und dieses Mal eine Premiere als Live-Vor-Ort Aufzeichnung hatte.

Themen:

  • Einführung des „Trust und Check Traders“
  • „Deemed Importer“ – Spiegelung des „Deemed Supplier“ für Zoll
  • Vereinfachte Zollsätze für E-Commerce (sog. „Buckets“)
  • Datenlieferungen an den „Customs-Data-Hub“
  • Und natürlich die mögliche zentrale EU – Zollbehörde und deren Verantwortung.
  • Sowie ein bisschen Orakeln über die mögliche Umsetzung und den Geist dieser Zollrechtsreform.

Meine Erwartungen

Ich halte selten hinter dem Berg mit meiner Meinung, und habe durchaus auch hohe Erwartungen – besonders wenn die EU eine so große Reform ausruft – dass die beteiligten Parteien ihren Pflichten nachkommen.

Für die EU heißt das klar:

  • IT-Kapazität und Exzellenz aufbauen, die Pressemitteilung spricht ja selbst von „Spitzentechnologie“, sonst wird die Reform ein Papiertiger und verfehlt ihr Ziel.
  • Bei der Entwicklung Praktiker aus jeder Branche (Industrie, Zollagenten, E-Commerce, Gewerbe, Handel etc.) einbinden.
  • Höchste Priorität muss das Zusammenziehen bestehender Systeme und Datenquellen sein.

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Autor

Ole Zimmer
Ole Zimmer
Head of Customs
Ole Zimmer is an expert in international trade and customs, focusing on developing customs products. He has served as Customs Duty and Compliance Manager at ASOS, DHL, and Zalando, bringing deep expertise in regulatory compliance to global trade challenges.
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