Laut einer Studie von ibi research und logistic-natives e.V. sehen Onlinehändler Nutzen des EU-E-Commerce-Pakets zwiegespalten
Am 1. Juli 2021 ist die bisher größte Mehrwertsteuerreform für EU-weiten Online-Handel in Kraft getreten. ibi research an der Universität Regensburg hat zusammen mit dem logistic-natives e. V. in einer Kurzstudie analysiert, wie deutsche Onlinehändler mit den neuen Verordnungen zurechtkommen. Dabei ergab sich ein gespaltenes Meinungsbild: Während die Mehrheit der Befragten weder Vor- noch Nachteile sieht, bemängeln andere einerseits die Komplexität und den Verwaltungsaufwand, loben aber andererseits die vereinfachte Compliance.
Die Studie
46 % der Befragten geben an, dass sie aufgrund der Rechtsunsicherheit beim Verkauf an ausländische Kunden keine Geschäfte im Ausland tätigen.
Fast einem Drittel der befragten Onlinehändler sind die Bestimmungen der EU-weiten Mehrwertsteuerreform bekannt. Die vereinfachte Umsatzsteuererklärung mit OSS nutzen bereits vier von zehn Unternehmen. Erst eines von zehn wickelt hingegen Umsätze über IOSS ab. Auf die Frage „Hatten Sie während der Umstellung auf OSS/IOSS IT-Probleme?“ antworteten 24 % der Befragten mit „Ja“.
„Das EU-E-Commerce-Paket sollte die Mehrwertsteuerabwicklung im Online-Handel vereinfachten und auf internationaler Ebene für Fairness sorgen. Allerdings müssen sich viele Händlerinnen und Händler aktuell mit Problemen bei der Umsetzung herumschlagen“, berichtet ibi-Geschäftsführer Dr. Georg Wittmann. So gab knapp ein Viertel der Befragten an, dass es bei der Umstellung auf OSS oder IOSS zu technischen Schwierigkeiten, beispielsweise aufgrund fehlender Schnittstellen, kam. „Trotzdem gibt es auch positive Stimmen, die etwa die vereinfachte Compliance oder das zukunftsweisende Denken der EU hervorheben“, so Wittmann weiter.
Herausforderungen
Andreas Weidner, VP Customs Compliance bei der eClear AG, berichtete zu den Themen OSS und IOSS sowie den Herausforderungen nach dem Brexit. Die Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Logistik und die Kostenstruktur der zu verzollenden Güter.
Erfahrungen
One-Stop-Shop (OSS)
Viele Händler nehmen den neuen Prozess als Vereinfachung wahr. Gründe dafür sein die weitestgehend abgeschlossene Harmonisierung in der EU, die vereinfachte Quartalsmeldung, da es keine Überwachung der Lieferschwellen mehr gibt. Als problematisch wurden die Verwendung von OSS mit Amazon (Ausschluss bei Nutzung von Warenlagern) und die grundsätzlich schwierige Ermittlung des korrekten Steuersatzes angegeben. Shopbetreiber würden noch oft mit den lokalen Standardsätzen arbeiten.
Import-One-Stop-Shop (IOSS)
Wie beim OSS, vereinfache das Verfahren vieles, sei jedoch nicht für alle Onlinehändler nutzbar. Die IOSS-Rechtsvorschriften gelten nur für Online-Versandhändler (Online-Fernverkäufer), die aus einem Drittland importierte Waren mit einem Sachwert von bis zu 150 Euro je Sendung an nicht der Mehrwertsteuerpflicht unterliegende Käufer innerhalb der EU veräußern sowie Online-Marktplätze („elektronische Schnittstellen“), die einen Online-Versandhändler beim Verkauf aus dem Nicht-EU-Ausland importierter Waren unterstützen.
Brexit
Viele Händler hätten den Verkauf nach Großbritannien eingestellt, da das Vereinigte Königreich jetzt ein Drittland ist, hohe Logistikkosten anfallen würden und die Retourenabwicklung zu kompliziert sei.
Logistik
Hier kam es zu einer Verschiebung der Sendungsvolumina weg vom Postdienstleister zu alternativen Logistikdienstleistern, da immer mehr Anbieter mit länderspezifischen, individuellen cross-border Lösungen am Markt sind. Des Weiteren entstanden unübersichtliche Kostenstrukturen bei der Zollabwicklung.