Dynamic Pricing – wieder ein Schlagwort im E-Commerce mit seinem Hang zu Anglizismen? Ja, bezeichnet wird diese Strategie aber auch auf Deutsch als dynamische Preisgestaltung. Ein anderer englischer Ausdruck lautet Surge Pricing. Streng genommen ist Dynamic Pricing nichts Neues. Schon „Tante Emma“ und der Bäcker nebenan passten Preise „dynamisch“ an. Sie boten etwa das Brot am Abend günstiger an, um es noch absetzen zu können. Und seit jeher nutzte der stationäre Handel die rot durchgestrichenen Preisschilder für kurzfristige Preissenkungen oder für Lockangebote.
Branchen, in denen Dynamic Pricing schon lange praktiziert wird, sind unter anderem Hotellerie, Reiseanbieter und Fluglinien. Bei Nachfragespitzen wie in der Urlaubs-Hauptsaison oder zu Großveranstaltungen heben die Anbieter ihre Preise gern an. In solchen Situationen sind Kunden bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Ein klassisches Beispiel aus dem stationären Handel sind Ski-Ausrüstungen, die zu Frühjahrsbeginn deutlich günstigerer angeboten werden als noch vor Weihnachten.
In der „Umfrage zur Bedeutung von Dynamic Pricing im stationären Handel 2021“ durch Statista gaben rund 47 Prozent aller Händler an, dass sie die Strategie als bedeutend für die Zukunft ansehen. Auch viele Online-Versandhändler erachten diese dynamische Preisanpassung als notwendig im Wettbewerb. Das belegte bereits die Studie „Die Wirtschaftslage im deutschen interaktiven Handel B2C 2015/2016“ vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh) und Creditreform. Etwa 40 Prozent nutzten die Methode regelmäßig und oft sogar sehr kurzfristig. Der Grund: Das Internet macht die Preise transparenter denn je. Wenn heute durch potenzielle Kunden ein Produkt gegoogelt wird, bekommen sie Ergebnisse sofort mit Preisangeboten angezeigt und können direkt vergleichen.
Wie funktioniert Dynamic Pricing in Online-Shops?
Online-Händler lassen sich ihre angepassten Preise anhand automatischer Algorithmen berechnen. Spezielle Software-Lösungen lesen die Preisdaten der Wettbewerber automatisiert aus Datenbanken aus. Preis-Bots tragen die Daten vorwiegend aus Marktplätzen und Preisvergleichsseiten zusammen. Die Algorithmen berechnen den optimalen Preis für den Händler anhand von Parametern wie Preise bestimmter Wettbewerber, Profile, Klickzahlen, Steuern oder eigene Kosten.
Meist bewegen sich die Anpassungsergebnisse innerhalb vorgegebener Regeln wie Preisober- oder Untergrenzen. Einige Software-Lösungen lernen aber auch mit künstlicher Intelligenz dazu und „sprengen“ die Regel-Grenzen. Manchen Händlern dienen die Ergebnisse als Vorlagen fürs Category Management. Andere Händler lassen ihre Preise vollautomatisch und in Echtzeit durch die Software anpassen. Häufig treten Mischformen auf, wobei vorwiegend die Preise für Billigprodukte mit niedrigen Margen automatisiert werden.
Vorteile der digitalen dynamischen Preisanpassung
- Automatisierte Anpassung an die Marktsituation in Echtzeit
- Automatisch optimierte Preise
- Höhere Umsätze durch mehr Kunden, da die meisten Kunden online „preisgesteuert“ kaufen
- Höhere Margen bei Preissteigerung
- Weniger Aufwand beim Auspreisen
Welche Arten des Dynamic Pricing gibt es?
Es kommen unterschiedliche Strategien zum Tragen.
Segmentierte Preisgestaltung: Unterschiedliche Preisgestaltung nach Kunden-Zielgruppen, wie bereit, für mehr Service höhere Preise zu zahlen. Preisorientierte Käufer erhalten das günstigere Angebot angezeigt.
Zeitbasierte Preisgestaltung: Für schnellere Lieferung oder Dienstleistungen an Wochenenden oder Feiertagen akzeptieren die Kunden Preisaufschläge.
Preisgestaltung nach exogenen Marktbedingungen (äußeren Einflüssen): Hier können veränderte Wettbewerbspreise und Indikatoren wie Marktanteile, Rohstoffpreise, Lagerbestände oder Lieferengpässe eine Rolle spielen.
Spitzenpreis-Gestaltung: Höhere Preise in Zeiten von Nachfragespitzen.
Pricing-Faktor Umsatzsteuern im Online-Fernhandel
Eine weitere Anforderung an dynamische Preisanpassungen stellen die jüngsten Mehrwertsteuer-Reformen der EU dar. Sie gelten seit 1. Juli 2021 und betreffen hauptsächlich den grenzüberschreitenden Online-Handel. So entfällt unter anderem die Mehrwertsteuerbefreiung für Warenlieferungen aus Drittländern im Wert von unter 22 EUR. Hierfür muss nunmehr die Umsatzsteuern des Ziellandes gezahlt werden. Auch die bisherigen Lieferschwellen einzelner Länder gelten nicht mehr. Händler mit Sitz in EU-Ländern sind bereits ab einem EU-weiten Gesamtumsatz von 10.000 EUR in allen belieferten Zielländern umsatzsteuerpflichtig. Selbst kleine Händler erreichen diesen Wert schnell.
Wie sich die Umsatzsteuer im Zielland auf die Preisgestaltung auswirken kann, zeigt ein etwa eine Lieferung von Kinderkleidung oder Kinderschuhen nach Irland. In dem Inselstaat werden diese Waren bis zu einer bestimmten Größe mit null Prozent besteuert. Wenn das dem Händler nicht bewusst ist und er den Regelsteuersatz von 23 Prozent im Bruttopreis einrechnet, berechnet er dem Kunden zu viel. Und er zahlt zu viel an die irischen Finanzbehörden.
Kurzum: Es ist für Online-Händler wichtig, die korrekten Umsatzsteuersätze all ihrer Produkte in den EU-27 zu kennen und korrekt anzuwenden. Einmal richtig zugeordnet, stellen sie eine optimale Kalkulationsbasis für den Händler dar. eClear bietet mit seinen VATRules eine Umsatzsteuerdatenbank mit über 1,2 Millionen Steuercodes und 300.000 Ausnahmen für alle EU-27 plus UK.