E-Commerce | 17. Januar 2022

Lieferengpässe 2021 − Gründe, Folgen und Ausblick

Der Gastartikel des E-Commerce-Fulfillment-Anbieters byrd gibt Einblick in die aktuelle Lage globaler Lieferketten und beleuchtet die weitreichenden Folgen von Lieferengpässen. von

Beitragsbild Lieferengpasse Byrd
Beitragsbild Lieferengpasse Byrd

Der Ausbruch des Coronavirus im Jahr 2020 hatte weltweit weitreichende Folgen. Internationale Lieferketten blieben davon nicht verschont – ganz im Gegenteil. Auch im Jahr 2021 hatten Unternehmen mit überlasteten Lieferketten zu kämpfen, wodurch sich eine funktionale Logistik mittlerweile von einem Kostenfaktor hin zu einem echten Wettbewerbsvorteil für Unternehmen entwickelt hat.

Neben den bekannten Folgen der Pandemie gibt es zahlreiche weitere Gründe, die einen reibungslosen Lieferprozess erschweren. Dazu gehören etwa Materialmängel, Produktionsengpässe oder Arbeitskräftemangel. Gerade für Onlinehändler spielt auch die gestiegene Nachfrage eine entscheidende Rolle. In diesem Artikel beleuchten wir die aktuelle Lage der globalen Lieferketten, gehen auf die Gründe und Folgen für Lieferengpässe ein und geben Tipps für kurz- und langfristige Lösungen für E-Commerce Unternehmen.

Lieferengpässe – die aktuelle Lage

Die Beschaffungsprobleme aus der Industrie sind nun auch hier angekommen“, sagt Klaus Wohlrabe vom Wirtschaftsforschungsinstitut ifo und meint damit den Einzelhandel. Im November 2021 klagten laut deren Umfrage knapp 78 % der deutschen Einzelhändler über Lieferprobleme (Oktober 2021 waren es noch 60 %).

Die Herausforderungen sind aber bei Weitem nicht nur ein deutsches Problem – ganz im Gegenteil. So mussten beispielsweise bereits Anfang November 70 voll beladene Transportschiffe außerhalb der Häfen in Los Angeles und Long Beach warten (Anfang Dezember betrug diese Zahl dann schon 96 Frachtschiffe). Über diese beiden Häfen laufen knapp 40 % der US-Importe. Ressourcen, um die ankommende Fracht zu verladen, sind schlicht Mangelware.

Wird von Lieferschwierigkeiten gesprochen, so wird oft auch Asien, dabei vorwiegend China, genannt. Das „Reich der Mitte“ erledigte 2019 28.7 % der weltweiten Produktion. Damit kommt es nicht überraschend, dass Probleme vorwiegend mit der Produktion zusammenhängen. Dabei spielt der Mangel an Materialien eine große Rolle – dazu gleich mehr. Darüber hinaus gibt es aber auch komplexe Gründe, wie etwa eine dysfunktionale Zirkulation von Containern, die zu Schwierigkeiten beim Versand der Waren führen.

Auch in Großbritannien fehlen Ressourcen an allen Ecken und Enden. So hat die Reederei Maersk, der dänische Weltmarktführer, beispielsweise im Oktober verkündet, den größten britischen Hafen Felixstowe nicht mehr anzufahren. Dieser sei ganz einfach völlig verstopft, so die Begründung.

Gründe für Lieferengpässe

Für die Probleme in den Lieferketten gibt viele verschiedenen Gründe, die teilweise wechselseitige Auswirkungen haben und so ein komplexes, schwer lösbares Problem darstellen. Im Folgenden werden einige dieser Faktoren und potenzielle Ursachen aufgezeigt.

Pandemie

Ein offensichtlicher Grund für das Strapazieren der internationalen Lieferketten seit 2020 ist die Coronapandemie. Zunächst war vor allem der Arbeitskräftemangel aufgrund etwaiger Lockdowns und Einschränkungen spürbar. Ebenso verzögern strengere Grenzkontrollen die Bewegungen der Waren am internationalen Markt und führen zusätzlich zu größeren Arbeitsaufwänden.

Während die ersten beiden Punkte offensichtlich sind, wird die Lage durch die verschiedenen Phasen der Pandemie in verschiedenen Regionen deutlich komplizierter. In Asien spürte man beispielsweise früh die Auswirkungen, der Virus mit seinen Folgen kam aber erst zu einem späteren Zeitpunkt im Rest der Welt an. Mit strengen Maßnahmen schafften es China und Co. aber schnell, die Produktion auf einem beinahe normalen Level zu stabilisieren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich allerdings etwa Europa in der ersten großen Welle. Durch dieses Ungleichgewicht entstanden und entstehen Hürden, die teilweise kaum zu überwinden sind.

Eines der größten Probleme dabei ist eine aus dem Gleichgewicht geratene Verteilung von Containern. So hat die früh anlaufende Produktion in Asien und der ungebrochene Bedarf in den USA dazu geführt, dass eine große Menge an gefüllten Containern in die USA importiert, jedoch nicht wieder exportiert wurden. Zurzeit ist dabei von einer 40 % Rate die Rede – von 100 in die USA gelieferten Containern werden lediglich 40 wieder exportiert. Dadurch ist ein enormer Mangel an Frachtbehältern in Asien entstanden.

Byrd Grafik 1
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Kundenkaufverhalten führt zu Material und Produktionsengpässen

Die Pandemie hat das alltägliche Leben von beinahe jedem Menschen verändert. Auch das Kaufverhalten ist davon nicht verschont geblieben. Zum einen kaufen die Menschen auf der ganzen Welt vermehrt online ein, zum anderen hat sich aber auch die Art der gekauften Produkte verändert.

Ein gutes Beispiel war der schlagartige Anstieg an Käufen von Home-Office Geräten, die durch den ersten Lockdown ausgelöst wurde. Unternehmen waren darauf nicht vorbereitet. Verständlich also, dass es damals zu teils extremen Lieferverzögerungen gekommen ist.

Generell sind auch die Verkäufe von Unterhaltungselektronik stark angestiegen.

Die Folge – ein Mangel an Materialien, die für die Produktion dieser Geräte nötig ist. Am bekanntesten und meist diskutiertesten ist dabei das Thema Chips.

Auch in anderen Bereichen ist dieses Phänomen klar zu sehen. So wurde generell viel in das eigene Zuhause investiert – Geld, das normalerweise vielleicht in ein neues Auto oder Urlaub investiert worden wäre, ist nicht selten für den Kauf einer neuen Küche oder Möbeln genutzt worden. Das wiederum führte zu einem Anstieg der Nachfrage nach Holz, sodass dieser Rohstoff mittlerweile als Mangelware gilt.

Ähnliche Beispiele lassen sich, von Fahrrädern bis hin zu Spielwaren, zur Genüge finden.

Händlerkaufverhalten

Können sie sich noch daran erinnern, als in den Supermärkten das Toilettenpapier ausgegangen war? Als Folge der Lieferprobleme kaufen nämlich Händler möglichst viel Ware ein. Wenn das aber viele gleichzeitig machen, entsteht genau das, was wir am Anfang der Pandemie in den Supermärkten beobachten konnten. Die Produkte sind entweder ausverkauft oder können nicht rechtzeitig nachgeliefert (nachgeschlichtet) werden. Das wiederum motiviert mehr Leute dazu, die Restbestände aufzukaufen, was zu einer weiteren Überlastung der Lieferketten führt.   

Dieser Teufelskreis ist auch im globalen Handel zu erkennen und führt zu Rohstoffknappheit und einer Überforderung der Lagerkapazitäten. 

Versandkapazitäten

Um die gesteigerte Nachfrage zu stillen, müssen logischerweise mehr Schiffe fahren, mehr Container transportiert und diese auch verladen werden. Vor allem an den Häfen führt das aber zu einer Überhitzung und Überforderung. Die Folgen davon – lange Staus vor den Häfen und dadurch längere Lieferzeiten. Um die Staus zu umgehen, versuchen einige Reedereien auf kleinere Häfen auszuweichen oder andere Routen zu nehmen. Auch das führt zu langen Verzögerungen, wird aber zum Teil aufgrund der besseren Planbarkeit trotzdem gemacht.

Arbeitskräftemangel

Entlang der gesamten Lieferkette fehlen zur Zeit Arbeitskräfte. Teilweise müssen ganze Hafenbereiche oder Lagerhäuser aufgrund von Coronavirus Clustern vorübergehend geschlossen werden. Dazu kommen noch Drohungen von Streiks aufgrund der Bedingungen und gewisser Einschränkungen in Bezug auf Corona Maßnahmen.

Zudem fehlen Lkw-Fahrer, die die Fracht von den Häfen in die verschiedenen Regionen transportieren. Am augenscheinlichsten war und ist das in Großbritannien. Laut einer Studie der britischen Marktanalytiker Transport Intelligence (TI) fehlen in Europa gar 400.000 Lkw-Fahrer. Eine unglaubliche Zahl, zu der Deutschland laut der Studie mit 60.000 Vakanzen beiträgt.

Von diesem Arbeitskräftemangel betroffen sind außerdem Produktionsbetriebe und Lagermitarbeiter werden ebenso gesucht. Zu guter Letzt fehlen auch den größten Paketdiensten in Deutschland und anderswo zahlreiche Mitarbeiter, um das stressige Weihnachtsgeschäft und E-Commerce Tage wie Black Friday und Cyber Monday abzuwickeln.

Fulfillment Unternehmen wie byrd können Händlern dabei helfen, die eigene Logistik auszulagern und Zugriff auf ein breites Spektrum an Versandpartnern zu bekommen. Dadurch wird die Lieferkette flexibler und robuster und die Bestellabwicklung erfolgt sorgenfrei. 

Ship Happens – Die Suezkanal Blockade

Das Ereignis, das im März auch in den Mainstream Medien hohen Wellen geschlagen hat, ist die Blockade des Suezkanals. Am 23. März verkeilte sich die Ever Given im Suezkanal, sodass kein Durchkommen mehr möglich war. 6 Tage dauerte es, bis die Blockade aufgehoben werden konnte, da war der Schaden aber schon angerichtet. Am Höhepunkt betrug der Stau 367 Frachtschiffe, und das, obwohl viele Reedereien schon alternative Routen, etwa über das Kap der Guten Hoffnung nutzten.

Um das Ausmaß der Blockade zu verstehen, muss man wissen, dass etwa 12 % des Welthandels durch den Suezkanal fließen und täglich Waren im Wert von etwa $10 Milliarden durchqueren. Im Normalfall passieren etwa 50 Schiffe pro Tag den Kanal. Man kann sich also vorstellen, dass es auch nach der „Befreiung“ der Ever Given einige Zeit gedauert hat, bis der Rückstau aufgelöst war.

Wie weiter oben beschrieben ist der globale Handel und Warentransport miteinander verflochten. Deswegen zieht sich ein solches Fiasko durch die gesamte Lieferkette. Weil diese bereits davor überfordert war, hat die Blockade dazu beigetragen, das „System“ weiter zu überlasten und ist bis heute spürbar.

Byrd Grafik 2
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Folgen der Engpässe

Die Folgen all dieser Ursachen sind weitreichend und überstrecken sich vom Preis für Güter und Services bis hin zu verzögerten Lieferzeiten und Lieferengpässen. Im schlimmsten Fall gibt es sogar totale Lieferausfälle.

Preise

Eines der logischen und zentralen Prinzipien in allen Bereichen der Wirtschaft ist, dass der Preis vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Die weltweiten Lieferketten sind dabei keine Ausnahme. Als wäre ein Preisanstieg bei den Kapazitäten der den Reedereien, einer teureren Nutzung von Containern und generell teureren Rohstoffpreisen nicht genug, sind auch Treibstoffpreise auf einem Höchststand. All das führt zu einer Beschleunigung der Inflation.

Eine genauere Analyse des Einflusses der gestiegenen Logistikkosten auf den E-Commerce finden sie hier: der Einfluss der gestiegenen Logistikkosten auf den Online-Handel

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Lieferzeiten

Wenig überraschend sind auch die Lieferzeiten stark von der derzeitigen Lage beeinträchtigt. Ausgelöst durch Produktions-, Lieferungs- und Versandverzögerungen müssen sich also Händler und Käufer in vielen Fällen gedulden.

Welche Branchen/Produkte sind betroffen

Alle Branchen und Produktgruppen, die von der Überlastung der Lieferketten betroffen sind, aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Beitrags übersteigen. Wir haben uns aber einige Beispiele herausgesucht, um die Auswirkungen zu veranschaulichen.

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Lieferprobleme bei Fahrrädern

Die Fahrradbranche ist eine jener, die durch die Pandemie einen Anstieg der Nachfrage gespürt hat. Diese gestiegene Beliebtheit an Fahrrädern kann jedoch nicht gestillt werden – besonders frustrierend für jeden Händler.

Hans-Peter Obermark vom Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) sagt dazu, dass Händler noch Ende November 2021 auf etwa 40 % der bestellten Fahrräder aus dem letzten Jahr warten. Mit einer Normalisierung der Lieferkette rechnet er erst Ende 2024.

Lieferengpässe bei Unterhaltungselektronik

Zu den Branchen, die am stärksten betroffen sind, gehört auch die Unterhaltungselektronik-Branche. Egal, ob Playstation 5, Xbox, Smartphones oder auch Smart-Home Produkte – all das ist derzeit Mangelware. Grund dafür sind nicht zuletzt der angesprochene Chip-Mangel und Lieferschwierigkeiten verantwortlich. Auch in diesem Bereich ist in vielen Fällen mit mehreren Monaten Verzögerung zu rechnen.

Ressourcenmangel bei Möbeln

Auch bei Möbeln macht sich vor allem die Ressourcenknappheit bemerkbar. So teilte etwa der Möbelgigant Ikea im Oktober mit, dass mit einem deutlichen Abfall der Verfügbarkeit zu rechnen sein. Wenn schon solche mächtigen Marktteilnehmer Probleme mit der Produktbeschaffung haben, kann man sich vorstellen, dass kleinere Einzelhändler vor noch größeren Herausforderungen stehen. Ikea rechnet dabei übrigens mit Lieferschwierigkeiten bis 2022.

Der ansteigende Holzpreis wird übrigens nicht nur Auswirkungen auf Möbelpreise und Verfügbarkeit haben. Vielmehr ist auch das Baugewerbe betroffen und es wird sogar erwartet, dass die Preise von Büchern ansteigen werden.

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Quick Fixes – Lösungen bei Lieferengpässen

Gleich vorneweg die brutale Wahrheit – in vielen Fällen gibt es kaum Möglichkeiten schnelle Lösungen zu finden, um schneller an die Produkte zu kommen. Vielmehr geht es darum, mit den Kunden proaktiv zu kommunizieren. So ist es ratsam, die Gründe für Stock-outs zu erklären und gemeinsam zufriedenstellende Lösungen zu finden. In diesen Belangen gibt es keine „Überkommunikation“ und sie werden überrascht sein, wie verständnisvoll die meisten Käufer sind, wenn rechtzeitig und offen mit ihnen kommuniziert wird. 

Langfristige Lösungen bei Lieferengpässen

Auf lange Sicht gibt es mehrere Möglichkeiten, die Versorgung mit Nachschub zu garantieren. Dazu gehört Nachlieferung, um den Lagerbestand erneut aufzufüllen, früher abzusenden. Der Schlüssel zum Erfolg, und darum auch die schwierigste Aufgabe ist hierbei die Planung aber Finanzierung der Produkte. Weil wir aber in verrückten Zeiten leben, stellt die Planung gerade jetzt eine schwierige Aufgabe dar.

Während über jahrzehntelang Offshoring ein großes Schlagwort der Globalisierung war, setzten viele Unternehmen vielmehr auf das sogenannte Reshoring. Das bedeutet einfach ausgedrückt, dass die Produktion der Produkte näher am Verkaufsort stattfindet. Dadurch können Risiken wie Lieferengpässe reduziert und ganz nebenbei auch der Einfluss auf die Umwelt verringert werden.

Eine weitere Möglichkeit, gerade im D2C Bereich ist es, selbst ein Lager aufzubauen oder etwa die Dienste von 3PL (Third Party Logistics) Unternehmen zu nutzen. Gerade Händler, die das Dropshipping Modell nutzen leiden am meisten an den Supply Chain Problemen. Für eben solche könnte es von Vorteil sein, auf eigene Lager zurückzugreifen, um Lieferverzögerungen abfangen zu können.

Lieferkettenprobleme – Wann wird alles wieder normal?

Zu prognostizieren, wann wieder alles „normal“ ist, gleicht einem Versuch, die Lottozahlen zu erraten. Es sind sich aber beinahe alle Experten einig, dass sie globalen Lieferketten noch länger benötigen werden, um mit der Überlastung zurechtzukommen.

Viele dieser Experten sprechen von einem Zeitraum von mindestens 18–24 Monaten. Es lässt sich also mit Sicherheit sagen, dass man sich als Händler aktiv nach Lösungen umsehen sollte, um sein Geschäft am Laufen zu halten.

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