“Geiz ist Geil” – wer kennt ihn nicht, diesen flotten Werbespruch, der uns immer wieder ins Ohr geht? Dank solch einprägsamer Phrasen haben sich Marken wie “Saturn” fest in unseren Köpfen verankert und sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Wird „Shoppen wie ein Milliardär“ es in diese Reihen schaffen?
Inmitten des digitalen Umbruchs, in der der Online-Handel geradezu perpetuell wächst und sich ständig weiterentwickelt, hat ein neuer Akteur die Bühne betreten, der die Landschaft des E-Commerce zu verändern verspricht: Temu.
Temu ist nicht einfach nur irgendeine weitere E-Commerce-Plattform, vielmehr hat es sich in kürzester Zeit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für etablierte Giganten wie Shein und Amazon entwickelt. In gewisser Weise repräsentiert Temu eine Brücke zwischen dem Osten und dem Westen, zwischen den geschäftigen Straßen Shanghais und den technologiegetriebenen Büros von Boston. Gegründet im Jahr 2022 in den USA, ist Temu ein Ableger von PDD Holdings Inc., einem an der Nasdaq gelisteten Unternehmen mit Sitz in Shanghai.
In einer Zeit, in der der Markt mit Online-Marktplätzen übersättigt zu sein scheint, hat Temu eine Nische gefunden, indem es sich auf den Verkauf von Produkten in großen Mengen zu extrem niedrigen Preisen konzentriert, Preisen, die oft zu gut erscheinen, um wahr zu sein. Einfach die Temu-App downloaden oder im Browser aufrufen… und schon kann bestellt werden:
Auf den ersten Blick scheinen die Angebote von Temu nämlich unschlagbar: Smartwatches für 2,50 EUR oder Handheld-Spielkonsolen, die den beliebten Modellen von Nintendo und Playstation ähneln, für nur 30 EUR! Die Preise purzeln nur so bei Temu, ob Hängematte oder Boxhandschuhe, beides wird bei Temu für läppische 9,99 EUR verscherbelt, wohlgemerkt, inklusive Lieferung! Allerdings nur bei Standardversand, das dauert dann allerdings 5–14 Tage und gilt für „fast alle Produkte“, wie Temu es selbst formuliert.
Das Angebot scheint grenzenlos zu sein, es reicht z. B. von Technik bis Mode oder Haushaltsartikeln und Beautyartikeln. An Temu gibt’s kein Vorbeikommen mehr, zusammen mit anderen Plattformen wie u. a. Shein und AliExpress, repräsentiert es die aufstrebenden chinesischen Online-Händler in Europa. Diese Marktplätze präsentieren oft Waren direkt von chinesischen Anbietern, wobei Markenprodukte eher die Ausnahme sind. In kürzester Zeit haben sie eine beeindruckende Kundenbasis aufgebaut und treten nun in direkte Konkurrenz zu bekannten Plattformen wie Amazon.
Die Verschmelzung von Unterhaltung und Einkaufen: ein einzigartiges Einkaufserlebnis
In einer Ära, in der das Online-Shopping oft mechanisch und unpersönlich wirkt, hat Temu einen Weg gefunden, das Einkaufserlebnis wieder menschlicher und unterhaltsamer zu gestalten. Durch die Einführung von spielerischen Elementen in den Einkaufsprozess, wie zum Beispiel Fishland und Coin Spin, bietet Temu seinen Nutzern nicht nur Produkte, sondern auch eine Form der Unterhaltung. Diese Gamifizierung des Einkaufsprozesses hat dazu geführt, dass die Kundenbindung gestärkt wird und die (oftmals jungen) Nutzer mehr Zeit auf der Plattform verbringen,
Gemeinschaftliches Einkaufen: Ein Konzept, das den Westen erobert
Das Konzept des Gruppenkaufs, bei dem sich Kunden zusammenschließen, um in großen Mengen zu kaufen und so von Mengenrabatten zu profitieren, ist in Asien bereits seit einiger Zeit bekannt. Temu hat dieses Konzept jedoch in den westlichen Markt eingeführt, wodurch das Einkaufen zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis wird. Dieses Gefühl der Gemeinschaft und des gemeinsamen Einkaufens steht im Gegensatz zum oft isolierten Einkaufserlebnis auf anderen Plattformen und hat dazu beigetragen, dass Temu sich von der Konkurrenz abhebt: Gemeinsamkeit als Alleinstellungsmerkmal, so paradox das klingen mag.
Wie schafft es Temu, so preiswert zu sein?
Temu funktioniert ähnlich wie die bekannte Billig-Shopping-App Wish. Bei Temu erfolgt der Verkauf nicht direkt über die Plattform selbst, sondern wird durch externe Verkäufer abgewickelt. Statt auf Eigenmarken setzt Temu vorwiegend No-Name-Produkte.
Ein weiterer Vorteil für Temu sind die oft niedrigen Preise der Artikel, die in vielen Fällen dazu führen, dass kein Zoll anfällt. Dieser wird nämlich erst bei einem Warenwert von über 150 EUR fällig. Trotzdem könnten beim Import zusätzliche Steuern wie die Einfuhrumsatzsteuer oder Verbrauchssteuern anfallen, die Käufer tragen müssen. Zustelldienste strecken diese Kosten häufig vor und verlangen sie dann bei der Lieferung des Pakets zurück. Mehr Details zur Zollbefreiung bei Einkäufen aus Drittländern finden Sie hier.
Wenn Waren über einen in der EU registrierten Online-Marktplatz gekauft werden, der die Mehrwertsteuer in einem EU-Land abführt, fallen keine zusätzlichen Gebühren an. Der Käufer begleicht alle anfallenden Kosten direkt beim Online-Einkauf. Dieses Verfahren ist als Import One-Stop-Shop (IOSS) bekannt. Wenn sich der Online-Händler für dieses System entscheidet, sind alle Steuern bereits im ausgewiesenen Kaufpreis enthalten. Interessanterweise weist das Impressum von Temus deutscher Webseite darauf hin, dass das Unternehmen in Irland registriert ist.
Temu: Niedrige Preise – miese Qualität?
Zusätzlichen Rabatte bis zu 95 Prozent … und Gratisversand! Der geübte Online-Kunde wird schnell wachsam: Wo ist der Haken?
Ein genauerer Blick offenbart schnell, dass die Qualität vieler Produkte zu wünschen übrig lässt. Die Verbraucherzentralen warnen vor allem bei Elektrogeräten, da diese oft keine europäischen Prüfsiegel haben und die Produktsicherheit nicht gewährleistet ist.
In diesem Zusammenhang hat der Westdeutsche Rundfunk (WDR) 20 Testbestellungen bei Temu eingereicht, die Ergebnisse waren demnach alles andere als zufriedenstellend:
Bei einigen Artikeln, die durch den Versand geliefert wurden, wurden Transportschäden festgestellt. Des Weiteren stellte der WDR bei einem Testkauf fest, dass obligatorische Bedienungsanleitungen in deutscher Sprache fehlten. Bei elektronischen Produkten fehlte zudem das in Deutschland erforderliche CE-Kennzeichen. Dieses Kennzeichen (CE, was für “Conformité Européenne” steht) ist in der EU für Produkte wie Spielzeug oder Haushaltsgeräte verbindlich. Durch dieses Zeichen bestätigt der Produzent, dass das Produkt den jeweiligen europäischen Vorschriften gerecht wird.
Wie so oft bei günstigen Produkten sind es meist die Arbeiterinnen und Arbeiter, die den Preis zahlen und unter bedenklichen Bedingungen schuften – sei es in China, Indien oder Bangladesch. Zudem bleibt die Umweltbelastung ein kritisches Thema. Dies zeigt sich nicht nur in der hohen Menge an verarbeitetem Plastik, sondern auch durch die enormen CO2-Emissionen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Temu und der Zoll: Versteckte Kosten und wie man sie umgeht
Die verlockend günstigen Angebote von Temu, die aus Nicht-EU-Ländern versendet werden, können bei vielen Käufern zu Misstrauen führen. Schließlich können Zoll- und Steuerabgaben den anfänglich günstigen Kaufpreis schnell in die Höhe treiben. Bei Temu ist dies jedoch nicht der Fall. Die Einfuhrumsatzsteuer, die normalerweise bei Importen nach Deutschland anfällt, wird von Temu im Voraus bezahlt. Dies wird durch die Quittung bestätigt, die Kunden bei einer Bestellung erhalten. Zudem bestätigte der Kundenservice, dass keine weiteren Abgaben anfallen würden.
Was die Zollgebühren betrifft, so fallen diese in Deutschland erst an, wenn der deklarierte Warenwert 150 EUR übersteigt. Temu scheint dieses Problem jedoch clever zu umgehen, indem es Bestellungen so aufteilt, dass der Warenwert jedes Pakets unter dieser Grenze bleibt. Dies wurde durch Testbestellungen bestätigt, bei der der Gesamtwert der Bestellung über 150 EUR lag, die Produkte jedoch auf zwei Pakete aufgeteilt wurden, sodass der Wert jedes Pakets unter der Grenze blieb. Auf einen Blick sieht das so aus:
Zoll und Steuern
Wer bei Temu aus China bestellt, sollte sich auf drei verschiedene Kostenpunkte einstellen:
- Zollgebühren: Diese variieren je nach Art der in der Lieferung enthaltenen Produkte. Interessant: Für Sendungen mit einem Gesamtwert von weniger als 150 EUR werden keine Zollkosten erhoben.
- Einfuhrsteuer: Der Satz dieser Steuer variiert je nach Produktkategorie und liegt entweder bei 7 % oder 19 %. Sie wird unabhängig vom Warenwert erhoben, selbst wenn dieser nur 1 EUR beträgt.
- Verbrauchsteuern: Für bestimmte Produkte wie Alkohol, Kaffee und Tabak fallen zusätzliche Steuern an. Hierbei spielen sowohl die Art der Produkte als auch der Gesamtwert der Bestellung eine Rolle. Auch die Art der Preisangabe, ob inklusive oder exklusive Versandkosten, kann die Berechnung beeinflussen.
Zoll und Steuern – so wird abgerechnet:
In der Regel gibt es zwei Wege, wie Zoll und Steuern beglichen werden:
- Zollamt: Per Benachrichtigung vom Zollamt mit der Aufforderung zur Zahlung.
- Paketdienst: Der Zustelldienst erhebt die Gebühren direkt bei der Lieferung. Ein Besuch beim Zollamt kann notwendig sein, um den Wert der Ware zu belegen. Hierbei kann eine Online-Rechnung, die die Versandkosten separat ausweist, hilfreich sein.
Temu-Retouren : Was passiert mit den bereits gezahlten Gebühren?
Sollte ein Produkt nicht den Erwartungen entsprechen, kann es innerhalb von 90 Tagen an Temu zurückgesendet werden – laut Shopangaben ohne zusätzliche Kosten. Allerdings: Die Rückerstattung kann schon mal einige Wochen in Anspruch nehmen.
Ein Blick in die Zukunft des E-Commerce
Temu hat in kurzer Zeit viel erreicht und sich als ernstzunehmender Akteur im E-Commerce etabliert. Mit seinem einzigartigen Geschäftsmodell, das Unterhaltung und Einkaufen miteinander verbindet, und seiner Fähigkeit, das Konzept des Gruppenkaufs in den Westen zu bringen, hat Temu gezeigt, dass es bereit ist, die Regeln des Spiels zu ändern, ja diese sogar . Es bleibt abzuwarten, wie sich Temu in den kommenden Jahren entwickeln wird, aber es ist klar, dass es hier ist, um zu bleiben und den Markt zu prägen.
