Finanzämter. Sie sind die wohl meistgehassten Institutionen unserer Gesellschaft. Mit ihrem schier unersättlichen Hunger nach unserem hart verdienten Geld, treiben sie uns regelmäßig in den Wahnsinn. Wer kennt nicht das Gefühl von Verzweiflung und Frustration, wenn man wieder einmal eine Steuererklärung ausfüllen muss und sich durch unverständliche Gesetze und Formulare kämpft? Auch wenn diese Einleitung ein wenig überzogen zu sein scheint, in die Fänge der prüfenden Steuerbehörden möchte dennoch niemand geraten.
Aber ist das ein typisches deutsches Phänomen? Mitnichten! Was die britische Steuerbehörde „HMRC“ im Reiche des frisch gekrönten Charles III. alles anstellt, um die Steuerlücke zu minimieren, lässt hiesige Finanzämter eher alt aussehen. „Connect System“ heißt die eingesetzte Technologie, die von kritischen Stimmen auf der Insel auch als Spähsoftware verschmäht wird. Connect, also alles verbunden.
Was ist „Connect“ eigentlich?
Salopp formuliert ist Connect nichts anderes als ein digitales Spinnennetz, das Daten von verschiedenen Quellen zusammenführt, um Abweichungen und Anomalien aufzudecken. Ob verschwiegenes Haus, Superauto oder unangemeldeter eBay-Handel – Connect ist in der Lage, all diese Daten zu verbinden und mit den Steuerdaten abzugleichen. Ein Beispiel für die unterschiedlichen Quellen, die das Connect System in Großbritannien zusammenführt, könnte folgendermaßen aussehen: Das System sammelt Daten aus verschiedenen Quellen, wie Banken, Versicherungsunternehmen, Immobilienregistern und öffentlichen Aufzeichnungen, um ein umfassendes Profil von Steuerzahlern zu erstellen.
Angenommen, ein Steuerzahler hat ein Immobilienportfolio, das er vermietet, und seine Bankdaten zeigen, dass er monatliche Mieteinnahmen erhält. Wenn der Steuerzahler jedoch keine Mieteinnahmen in seiner Steuererklärung deklariert, kann das Connect System dies aufdecken und eine Überprüfung auslösen. Auf diese Weise kann das System mögliche Steuerhinterziehung oder -umgehung aufdecken, indem es verschiedene Datenquellen verknüpft und Verhaltensmuster aufdeckt, die darauf hinweisen.
Die Entwicklung von Connect hat fast 100 Millionen Pfund gekostet, aber es hat sich für die HMRC ausgezahlt. Das System hat bereits mehr als 3 Milliarden Pfund an Einnahmen eingebracht und hilft dabei, die Steuerlücke zu schließen. Es ermöglicht den Ermittlern, schnell und effizient auf Dinge hinzuweisen, die es wert sind, untersucht zu werden. In der Tat, Connect kann enorme Datenmengen analysieren und Verbindungen zwischen verschiedenen Datensätzen herstellen, was es der HMRC ermöglicht, Betrug und Steuerhinterziehung effektiver zu bekämpfen und die Steuereinnahmen zu erhöhen.
Kritiker verschmähen Connect als Spähsoftware
Doch nicht alle sind von Connect begeistert. Es gibt Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Privatsphäre der Steuerzahler. Einige befürchten zudem, dass das System in der Lage ist, sehr detaillierte Informationen über ihre finanzielle Situation zu sammeln, ohne dass sie es wissen oder zustimmen – Big Brother lässt grüßen! Das klingt in der Theorie erst mal nüchtern und wenig bedrohlich, was aber, wenn man selbst betroffen ist? Wie geht man damit um, dass die eigenen finanziellen Verhältnisse aufgrund vernetzter Systeme ein Bild zeichnen, das anderen unfreiwillig Einblicke in die privatesten Verhältnisse gewährt? Die Bedenken der Kritiker sind damit mehr als nachvollziehbar.
“Es gibt Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Connect-Systems auf die Privatsphäre, aber es ist ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung der Steuerehrlichkeit und zur Abschreckung von Betrug”. – Richard Murphy, Professor für politische Ökonomie an der City University of London.
Weitere Gefahr: Cyberangriffe
Neben den befürchteten Datenschutzverletzungen ist eine der zentralen Sorgen die Furcht vor Cyberangriffen. Denn wer einmal Opfer eines Identitätsbetruges wurde, weiß um die Dimensionen, die ein solches Delikt mit sich bringt. Daher ist die Sorge vor Cyberangriffen nicht von der Hand zu weisen – schnell ruiniert ist der, dessen gestohlene und missbrauchte persönliche sowie finanziellen Daten in die falschen Hände geraten!
Es gibt auch Bedenken hinsichtlich der Zugänglichkeit des Connect-Systems. Nicht alle Bürgerinnen und Bürger haben den gleichen Zugang zur Technologie, die für die Nutzung der Plattform erforderlich ist. Die Plattform ist zwar benutzerfreundlich gestaltet, aber die Zugänglichkeit ist eine Herausforderung. Bestimmte Gruppen von Bürgern könnten von wichtigen öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen werden.
Doch trotz dieser Besorgnisse bleibt der Einsatz von Technologie im Bereich Buchhaltung und Steuern ein wichtiger Fortschritt, der sowohl den Steuerbehörden als auch den Unternehmen zugutekommt. Natürlich kann man auch argumentieren und ketzerisch fragen: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Stimmt. Aber nur bedingt. Wie oben schon erwähnt, kann das Connect-System auch zu falschen Rückschlüssen führen, und genau da sitzt der Teufel im Detail: Es obliegt dann nämlich dem Steuerpflichtigen, im Falle eines Irrtums seitens der HMRC für Aufklärung zu sorgen. Eine zeitraubende und belastende Situation, die jeden treffen kann!
Trotz der berechtigten Bedenken, “Connect” ist auf Erfolgskurs:
Interessant ist der kürzlich veröffentlichte Bericht des HMRC über die Messung der Steuerlücke am 9. Juli 2020. Laut diesem Bericht betrug die Steuerlücke im Jahr 2018-19 31 Mrd. £ oder 4,7 % der gesamten Steuerschuld. Die Steuerlücke bezeichnet die Differenz zwischen der theoretischen Steuer, die an den Staat gezahlt werden sollte, und dem tatsächlich eingezogenen Betrag durch das HMRC. Die Berechnung der theoretischen Steuer ist eine schwierige Aufgabe, die durch interne und externe Daten sowie verschiedene Analysetechniken vom HMRC durchgeführt wird. Der Bericht zeigt auch, dass diese Lücke von 7,5 % im Zeitraum von 2005 bis 2006 auf 4,7 % gesunken ist, was von der HMRC als ein besseres Maß für die Einhaltung der Vorschriften im Laufe der Zeit angesehen wird.
Der Bericht zeigt auch, dass die größten Lücken nach Steuerarten in der Einkommenssteuer, den Sozialversicherungsbeiträgen und der Kapitalertragssteuer (12,1 Mrd. £) sowie in der Mehrwertsteuer (10 Mrd. £) bestehen. Bezüglich der Art der „Kundengruppe“ zeigt der Bericht, dass die größte Lücke bei kleinen Unternehmen (13,4 Mrd. £) besteht.
Conclusio:
In der Tat ist Connect ein leistungsstarkes Instrument, das den britischen Behörden einen umfangreichen Überblick gewährt. Es ermöglicht es den Ermittlern zudem, schnell auf verdächtige Aktivitäten hinzuweisen und vor allem – ganz wichtig!- die Steuereinnahmen zu erhöhen. Doch wir sollten uns auch darüber im Klaren sein, dass der Einsatz von Technologie im Bereich Buchhaltung und Steuern mit einigen Herausforderungen verbunden ist, insbesondere in Bezug auf den Datenschutz und die Privatsphäre der Steuerzahler. Wir sollten sicherstellen, dass diese Bedenken angemessen berücksichtigt werden, während wir weiterhin nach innovativen Lösungen im Bereich Buchhaltung und Steuern implementieren.