Die Umsatzsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der EU-Mitgliedstaaten. Dennoch besteht seit Jahren eine erhebliche Differenz zwischen der theoretisch geschuldeten Umsatzsteuer und den tatsächlich vereinnahmten Beträgen – die sogenannte VAT Gap. Der VAT Gap Report 2023 der Europäischen Kommission macht deutlich, dass diese Lücke weiterhin ein zentrales fiskalisches Problem darstellt.
Was versteht man unter der VAT Gap?
Die VAT Gap beschreibt die Differenz zwischen dem Umsatzsteueraufkommen, das bei vollständiger Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu erwarten wäre, und den tatsächlich erhobenen Einnahmen. Sie setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
- der Compliance-Gap, die auf Steuerbetrug, Insolvenzen, Fehler oder verspätete Erklärungen zurückzuführen ist, und
- der Policy-Gap, die aus politischen Entscheidungen wie Steuerbefreiungen oder ermäßigten Steuersätzen resultiert.
Zentrale Ergebnisse des Reports 2023
Nach dem aktuellen Bericht belief sich die VAT-Compliance-Gap in der EU im Jahr 2023 auf rund 128 Mrd. €, was etwa 9,5 % der potenziellen Umsatzsteuereinnahmen entspricht. Damit ist die Lücke gegenüber dem Vorjahr wieder leicht gestiegen, nachdem sie zuvor mehrere Jahre rückläufig war. Gleichzeitig bleibt die Policy-Gap sehr hoch: Mehr als die Hälfte des theoretischen Umsatzsteueraufkommens geht EU-weit auf steuerpolitische Gestaltungsspielräume zurück.
Zwischen den Mitgliedstaaten zeigen sich erhebliche Unterschiede. Länder wie Österreich oder Finnland weisen vergleichsweise geringe Umsatzsteuerlücken auf, während andere Staaten – etwa Rumänien oder Malta – weiterhin mit sehr hohen Compliance-Gaps zu kämpfen haben. Deutschland liegt mit seiner Quote nahe am EU-Durchschnitt.
Warum ist die VAT Gap problematisch?
Eine hohe VAT Gap führt zu erheblichen Einnahmeausfällen für die öffentlichen Haushalte und wirkt sich unmittelbar auf die Finanzierung staatlicher Leistungen aus. Zudem entstehen Wettbewerbsverzerrungen, da regelkonforme Unternehmen gegenüber nicht-konformen Marktteilnehmern benachteiligt werden. Für Unternehmen selbst erhöht eine unzureichende Umsatzsteuer-Compliance das Risiko von Steuernachforderungen, Zinsen und Betriebsprüfungen.
Ursachen und Lösungsansätze
Die Gründe für die Umsatzsteuerlücke sind vielfältig: Neben gezieltem Steuerbetrug spielen auch komplexe grenzüberschreitende Geschäftsmodelle, administrative Schwächen und unbeabsichtigte Fehler eine Rolle. Als Gegenmaßnahmen setzen EU und Mitgliedstaaten zunehmend auf Digitalisierung und Systemmodernisierung.
Insbesondere die Reforminitiative „VAT in the Digital Age (ViDA)“ soll durch E-Invoicing-Pflichten, digitale Meldesysteme und neue Regeln für Plattformen die Transparenz erhöhen und Steuerverluste reduzieren. Ergänzend dazu bleiben gezielte Prüfungen, internationale Zusammenarbeit der Steuerbehörden und eine stärkere Sensibilisierung der Unternehmen zentrale Bausteine zur Verringerung der VAT Gap.
Conclusion
Der VAT Gap Report 2023 zeigt, dass trotz spürbarer Fortschritte weiterhin erheblicher Handlungsbedarf besteht. Digitalisierung, klare rechtliche Rahmenbedingungen und eine konsequente Umsatzsteuer-Compliance werden entscheidend sein, um Steuerausfälle zu reduzieren und faire Wettbewerbsbedingungen in der EU zu sichern.







