Jährlich entgehen den EU-Mitgliedsstaaten hunderte Millionen Euro an Steuereinnahmen, wenn Händler aus Drittstaaten über Online-Marktplätze wie Amazon oder Ebay ihre Waren in die EU verkaufen, die entsprechende Umsatzsteuer jedoch nicht abführen. Die gesetzliche Neuregelung will nun Ausfälle durch umsatzsteuerlich nicht in der EU registrierte Unternehmen verhindern und die Wettbewerbsbedingungen für europäische Anbieter fairer gestalten. Australien, Neuseeland oder auch Norwegen führten vergleichbare Änderungen bereits in den Jahren 2018, 2019 und 2020 ein.
Der neue Art. 14a MwStSystRL gilt für Marktplätze, Plattformen oder Portale, die Fernverkäufe ermöglichen. Dabei wird zwischen Fernverkäufen innerhalb der EU und Fernverkäufen aus Drittländern in einen EU-Mitgliedstaat unterschieden.
Wenn die neue E-Commerce-Richtlinie am 1. Juli 2021 in Kraft tritt, werden die elektronischen Marktplätze bei Lieferungen aus Drittstaaten in eine fingierte umsatzsteuerliche Lieferkette einbezogen. Der erste Teil der Lieferung vom Händler aus einem Drittland wie China an den Online-Marktplatz wird stets als eine ruhende Lieferung behandelt. Zur Vermeidung von Umsatzsteuerbetrug wird diese Lieferung durch den ebenfalls neuen Art. 136a MwStSystRL steuerfrei gestellt.
Der zweite Teil, die Lieferung des Online-Marktplatzes an den privaten Abnehmer in beispielsweise Italien, wird hingegen als bewegte Lieferung betrachtet und ist steuerpflichtig. Der Marktplatz wird zum Steuerschuldner und muss die italienische Umsatzsteuerschuld begleichen.
Was bedeuten diese Änderungen für Online-Marktplätze?
Die elektronischen Marktplätze werden in die Lieferkette fiktiv umsatzsteuerlich einbezogen und selbst Lieferer und Verkäufer innerhalb einer Reihe: Werden Waren aus Drittländern in die EU eingeführt und der Sachwert der Gegenstände übersteigt dabei nicht 150 EUR, behandelt das Gesetz elektronische Marktplätze so, als ob sie Artikel selbst erhalten und geliefert hätten (Art. 14a Abs. 1 MwStSystRL). Gleiches gilt ohne Betragsbeschränkung für Lieferungen eines im Drittland ansässigen Unternehmers innerhalb der EU, wenn die Waren über einen elektronischen Marktplatz verkauft werden (Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL).
Online-Marktplätzen obliegt die Verantwortung, alle Daten über auf ihrer Plattform getätigten Transaktionen zu erfassen. Diese Aufzeichnungspflicht wurde in Deutschland bereits in § 22f UStG im Zusammenhang mit der sogenannten Marktplatzhaftung (§ 25e UStG) umgesetzt. Die Reform geht jedoch weit über die in Deutschland (zum 01.01.2019) und anderen Mitgliedstaaten bereits eingeführte Marktplatzhaftung hinaus. Zurzeit muss der Betreiber eines Online-Marktplatzes bestätigen können, dass seine Verkäufer den eigenen Verpflichtungen nachkommen, die Mehrwertsteuervorschriften einzuhalten. Falls die Händler ihr Geschäft nicht konform betreiben, sind elektronische Marktplätze für die geschuldete Mehrwertsteuer haftbar, sollten sie nicht eine entsprechende Dokumentation vorlegen können.
Mit der Neuregelung werden die elektronischen Marktplätze zum Schuldner eigener Umsatzsteuer. Sie müssen den korrekten Umsatzsteuerbetrag im Lieferland abführen und dementsprechend alle nationalen Steuersätze für die Waren kennen. Keine einfache Aufgabe, da jeder EU-Mitgliedstaat über die Regelsteuersätze oder anzuwendenden Ausnahmen selbst entscheiden kann.