Online-Marktplätze wie Amazon, eBay, Etsy oder Zalando sind aus dem modernen eCommerce nicht mehr wegzudenken. Doch während sie Händlern den Zugang zu Millionen potenziellen Kunden ermöglichen, werfen sie auch komplexe umsatzsteuerliche Fragen auf: Wer schuldet eigentlich die Umsatzsteuer – die Plattform oder der Händler selbst?
Die Antwort hängt vom Einzelfall ab – und wird seit Juli 2021 durch die EU-Mehrwertsteuerreform sowie künftig durch das ViDA-Paket („VAT in the Digital Age“) noch stärker geregelt.
1. Plattformen als „deemed supplier“
Seit der EU-Umsatzsteuerreform 2021 können Online-Marktplätze selbst zum Steuerschuldner werden. Das ist der Fall, wenn sie Lieferungen von nicht in der EU ansässigen Verkäufern an EU-Verbraucher (B2C) ermöglichen.
In diesen Fällen wird die Plattform rechtlich so behandelt, als hätte sie die Ware selbst verkauft – ein sogenannter „deemed supplier“.
Das bedeutet:
- Die Plattform erhebt, erklärt und führt die Umsatzsteuer ab.
- Der tatsächliche Verkäufer (z. B. ein Händler aus China oder den USA) gilt umsatzsteuerlich nicht mehr als Lieferant gegenüber dem Endkunden.
- Für den Verbraucher ändert sich nichts – er zahlt weiterhin den Bruttopreis inklusive Umsatzsteuer.
Beispiel:
Ein chinesischer Händler verkauft ein Smartphone über eBay an einen Kunden in Deutschland. Da der Händler außerhalb der EU ansässig ist und der Warenwert unter 150 € liegt, gilt eBay als Verkäufer im Sinne des Umsatzsteuerrechts – und muss die deutsche Umsatzsteuer über den Import-One-Stop-Shop (IOSS) abführen.
2. Wann bleibt der Händler selbst steuerpflichtig?
Nicht in allen Fällen greift die „deemed supplier“-Regelung. Ist der Verkäufer in der EU ansässig oder übersteigt der Warenwert die IOSS-Grenze von 150 €, ist der Händler selbst Umsatzsteuerschuldner.
In diesem Fall gilt:
- Der EU Händler muss den Umsatz im One-Stop-Shop (OSS) melden oder sich in den jeweiligen Mitgliedstaaten registrieren.
- Die Plattform fungiert nur als Vermittler, nicht als Steuerschuldner.
- Der Händler bleibt verantwortlich für korrekte Rechnungsstellung, Umsatzsteuersätze und Buchhaltung.
3. Pflichten der Plattformen nach ViDA
Mit dem am 11. März 2025 verabschiedeten ViDA-Paket werden die Regeln noch einmal verschärft. Ab 2027 müssen Plattformen:
- detaillierte Transaktionsdaten in Echtzeit melden,
- die Identität und Ansässigkeit der Verkäufer eindeutig nachweisen,
- und in bestimmten Fällen automatisch die Umsatzsteuer berechnen und abführen, auch wenn der Verkäufer in der EU ansässig ist.
Ziel ist mehr Transparenz und die Eindämmung von Umsatzsteuerbetrug, insbesondere im grenzüberschreitenden Onlinehandel.
Für Plattformbetreiber bedeutet das: mehr Compliance-Pflichten und technische Anforderungen. Für Händler: mehr Klarheit, aber auch die Notwendigkeit, Prozesse und Systeme so zu gestalten, dass sie mit den Marktplatzdaten konsistent sind.
4. Was Händler jetzt tun sollten
- Umsatzkanäle analysieren: Über welche Plattformen wird verkauft? Aus welchen Ländern stammen Waren und Käufer?
- Prüfen, wer der Steuerschuldner ist: Bei Verkäufen über Marktplätze mit Drittlandsbezug kann die Plattform steuerpflichtig sein – aber nicht immer.
- OSS/IOSS richtig nutzen: Sicherstellen, dass Verkäufe korrekt gemeldet werden, um Doppelbesteuerung oder Bußgelder zu vermeiden.
- Vertragliche Regelungen prüfen: Händler sollten in den AGB oder Partnerverträgen der Plattform nachvollziehen können, wer für die Umsatzsteuererklärung verantwortlich ist.
- Datenqualität sicherstellen: Korrekte Angaben zu Lieferorten, Warenwerten und Steuersätzen sind entscheidend – auch im Hinblick auf die künftige Echtzeit-Meldepflicht.
Fazit
Der Onlinehandel wird durch Plattformen immer internationaler – und damit auch umsatzsteuerlich komplexer.
Die Grundregel lautet: Je globaler der Handel, desto wichtiger die klare Abgrenzung zwischen Händler und Plattform.
Mit den kommenden Änderungen durch ViDA werden sich viele Prozesse vereinfachen, gleichzeitig steigen aber die Anforderungen an Dokumentation und digitale Transparenz.
Wer frühzeitig prüft, wer wann steuerpflichtig ist, kann Haftungsrisiken vermeiden – und sich auf das konzentrieren, was zählt: erfolgreich verkaufen.





