Newsroom, Zoll | 13. Juli 2021

Fernverkauf aus einem Drittland bei Nichtanwendung des IOSS

Seit dem 1. Juli sind neue Regelungen für Fernverkäufe aus einem Drittland in Kraft getreten. Wir erläutern welche Besteuerungsverfahren greifen, wenn der IOSS nicht zur Anwendung kommt. von

20210709 Beitragsbild Import in EU ohne IOSS
20210709 Beitragsbild Import in EU ohne IOSS

Mit der Umsetzung des zweiten Teils des Mehrwertsteuer-Digitalpakets gelten keine Freigrenzen oder Freibeträge mehr, deshalb muss für jede Warenlieferung Einfuhrumsatzsteuer berechnet werden. Bei der Einfuhr in die EU ist in jedem Fall immer eine Zollanmeldung notwendig. Bis zu einem Sachwert von 150 EUR kann optional der Import-One-Stop-Shop (IOSS) zur Vereinfachung genutzt werden. Bei Nichtanwendung des IOSS muss sich der Unternehmer in jedem EU-Land einzeln anmelden und die Steuern an jeweilige Steuerbehörden abführen.

Neue Regelungen bei einem Warenwert bis 150 EUR

Bei Lieferungen mit einem Sachwert bis 150 EUR ist in jedem Fall eine elektronische Zollanmeldung notwendig. Abgaben von unter einem Euro werden jedoch nicht erhoben. Da außerdem die Freigrenze von 22 EUR für die Einfuhrumsatzsteuer aufgehoben wurde, ist diese bei jeder Sendung fällig. Die Einfuhrumsatzsteuer kann nur noch in dem Mitgliedsstaat abgegeben werden, in dem die Beförderung endet, also am Ort der Leistung. Versendet ein Unternehmer seine Ware aus einem Drittland in verschiedene EU-Länder, muss er sich in jedem Mitgliedsstaat einzeln anmelden und die Steuer an die jeweilige Behörde abführen.

Als Erleichterung ist für Waren bis zu einem Sachwert von 150 EUR (Warenwert + Transportkosten) der IOSS eingeführt worden. Den IOSS haben wir hier bereits näher beleuchtet. Wird der IOSS nicht genutzt, kann neben dem Standardverfahren ein weiteres Sonderverfahren genutzt werden, das neu im Umsatzsteuerrecht verankert ist. Genau wie der IOSS kann dieses Verfahren optional genutzt werden, um den Steuerprozess etwas zu vereinfachen.

Wie wird das Sonderverfahren angewendet?

Das neue Sonderverfahren gilt nur bei Einfuhren, die an Verbraucher im Inland gesendet werden. Waren, auf die Verbrauchssteuern anfallen (bspw. Kaffee, Alkohol) sind hierbei ausgenommen. Das Sonderverfahren funktioniert folgendermaßen:

Die gestellende Person (der Beförderer, oft der Postbetreiber oder Kurier) vereinnahmt die Einfuhrumsatzsteuer der Einfuhren eines Monats von den Sendungsempfängern und entrichtet diese im Folgemonat an die zuständige Zollverwaltung.

Für Unternehmen bringt die Sonderregel folgende Erleichterungen und Vorteile mit sich:

  • Die Anmeldung beim Zoll wird von der gestellenden Person übernommen. Damit sorgt sie auf Rechnung des Sendungsempfängers dafür, dass die Lieferung in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wird.
  • Die gestellende Person vereinnahmt bei der Auslieferung gleich die Einfuhrumsatzsteuer beim Sendungsempfänger. Diese entrichtet sie dann im Rahmen des gewährten Zahlungsaufschubes an die Zollverwaltung.
  • Bei der Zollverwaltung macht die gestellende Person Angaben zu den ausgelieferten Sendungen, der vereinnahmten Einfuhrumsatzsteuer, zu noch nicht ausgelieferten Sendungen, nicht zustellbaren und abhandengekommenen Sendungen. Im Zweifel hat die gestellende Person auch den Verbleib einer Lieferung nachzuweisen.

Nimmt der Unternehmer die Sonderregelung nicht in Anspruch, oder sendet er Waren in andere Mitgliedsländer als Deutschland, muss er die Warensendungen selbst beim Zoll anmelden und die Einfuhrumsatzsteuer beim Sendungsempfänger vereinnahmen und an die zuständigen Finanzbehörden im jeweiligen Mitgliedsstaat entrichten.

Beispiel: Der Unternehmer Smith aus der Türkei liefert Kleidung in Warensendungen mit einem Warenwert bis 150 EUR von Ankara an Verbraucher in Deutschland und in Frankreich. Für seine Warenlieferungen nach Deutschland kann Unternehmer Smith bei der Zollanmeldung den Antrag auf Sonderregelung stellen. Hier wird nun der Beförderer seiner Warensendungen die Einfuhrumsatzsteuer bei den Sendungsempfängern vereinnahmen und zum geltenden Termin gesammelt an die zuständige Behörde entrichten.

Für seine Lieferungen nach Frankreich gilt das Verfahren nicht. Hier muss Unternehmer Smith sich selbst um die Anmeldung und Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer kümmern.

Wann sind Fernverkäufe unter 150 EUR einfuhrumsatzsteuerfrei?

Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet in die EU eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sendungswert von höchstens 150 EUR sind seit dem 1. Juli zusätzlich einfuhrumsatzsteuerfrei, wenn bei der Zollanmeldung eine Identifikationsnummer angegeben wird. Die Identifikationsnummer wird vom jeweiligen Mitgliedsstaat erteilt. Dabei erhalten der steuerpflichtige Unternehmer sowie die gestellende Person jeweils eine individuelle Identifikationsnummer. Da eine gestellende Person oft für mehrere steuerpflichtige Unternehmer tätig wird, erhält sie für jeden eine eigene Identifikationsnummer.

Übernimmt der Unternehmer die Lieferung und Anmeldung beim Zoll selbst, gibt er seine Identifikationsnummer an. Wird, wie häufig der Fall, eine gestellende Person tätig, muss diese ihre eigene Identifikationsnummer für den Unternehmer angeben.

Die Teilnahme an diesem besonderen Besteuerungsverfahren ist vorher vom Unternehmer oder der gestellenden Person bei der zuständigen Finanzbehörde, in Deutschland das Bundeszentralamt für Steuern, anzumelden.

Was passiert bei einem Sendungswert über 150 EUR?

Liegt der Wert einer Warenlieferung aus einem Drittland über 150 EUR, können weder der IOSS noch die Sonderregelung zur Einfuhrumsatzsteuer angewendet werden. Hierfür sind in den neuen Fernverkaufsregelungen keine Sonderregelungen oder Erleichterungen enthalten.  Zunächst muss der Unternehmer die Warensendung beim Zoll für die Überbringung in den zollrechtlich freien Verkehr anmelden. Dort werden die Zollabgaben nach dem jeweiligen Zollsatz fällig.

Da es keine Sonderregelungen gibt, wird bei einem Drittlandimport auch die Einfuhrumsatzsteuer nach dem jeweiligen Mehrwertsteuersatz (7 % oder 19 % für Deutschland) fällig. Sie muss beim Sendungsempfänger vereinnahmt und dann an die jeweilige Steuerbehörde entrichtet werden. Die Einfuhrumsatzsteuer wird nur bei Importen aus Drittländern in die EU erhoben und entspricht i.d.R. der Umsatzsteuer. Sie soll verhindern, dass die Ware ohne Umsatzsatzsteuer verkauft wird, da sie im Ausfuhrland umsatzsteuerbefreit ist.

Zu beachten ist, dass auch hier die Steuer in dem Mitgliedsstaat anzumelden und abzugeben ist, in dem die Warenbeförderung endet. Dementsprechend braucht es für jedes Mitgliedsland, in das Waren geliefert werden, eine eigene Zollanmeldung und eine Steuerabführung an die zuständige Behörde. Einfuhrabgaben unter fünf Euro werden jedoch nicht erhoben.

Beispiel: Unternehmer Seifert aus Australien verkauft Smartphones im Wert von 750 bis 1.000 EUR an Verbraucher in den Niederlanden, Italien und Schweden. Da seine Sendungen den Warenwert von 150 EUR überschreiten, kann Unternehmer Seifert keine Sonderregelung in Anspruch nehmen. Er muss in jedem dieser Länder die Lieferung selbst anmelden und die Einfuhrumsatzsteuer vereinnahmen und an die jeweils zuständige Behörde in den Niederlanden, Italien und Schweden entrichten.

Wo besteht Handlungsbedarf für Unternehmer?

Soll die Sonderregelung für die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer bei Importen aus Drittländern in die EU mit einem Wert je Sendung bis 150 EUR angewendet werden, muss die gestellende Person bei der Zollanmeldung einen Antrag stellen. Die Sonderregelung greift jedoch nur, wenn die Lieferung ins Inland, also nach Deutschland, erfolgt und keine Waren enthalten sind, auf die Verbrauchsteuern anfallen.

Die Einfuhr von Waren bis zu einem Sendungswert von 150 EUR aus Drittländern in EU-Staaten ist außerdem einfuhrumsatzsteuerbefreit, wenn bei der Zollanmeldung die Identifikationsnummer des Unternehmers (sofern er es selbst anmeldet) oder der gestellenden Person angegeben wird. Die Teilnahme an dieser Sonderregelung muss zuvor vom Unternehmer bzw. der gestellenden Person bei der zuständigen Finanzbehörde im jeweiligen Mitgliedsstaat angezeigt werden. Auch die Erteilung der individuellen Identifikationsnummer erfolgt durch den jeweiligen Mitgliedsstaat. In Deutschland ist die zuständige Behörde das Bundeszentralamt für Steuern.

Andernfalls muss der Unternehmer selbst die Anmeldung bei der Zollverwaltung für die Warenlieferungen übernehmen und die Einfuhrumsatzsteuer bei der jeweils zuständigen Steuerbehörde je Mitgliedsland abführen.

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Der im Drittland ansässige Unternehmer hat so die Möglichkeit, seine Kunden frei Haus verzollt (DDP) zu beliefern.

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Autor

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Andreas Weidner
Vice President Customs
Andreas Weidner ist Vice President Customs und Product Owner der Zolllösungen von eClear. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Leitung von globalen Transport-, Zoll- und Trade Compliance Organisationen. In seiner vorherigen Position war er Global Director Customs & Trade Compliance bei Marquardt, wo er mit seinem globalen Team maßgeblich zum weltweiten Wachstum und zur Internationalisierung beigetragen hat, indem er den Import- und Export-Compliance-Prozess erfolgreich aufgebaut und geleitet hat.
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