Mit Urteil vom 17. Mai 2022 (veröffentlicht am 29. September 2022) hat der Bundesfinanzhof (BFH) in der Rechtssache VII R 2/19 „Hamamatsu“ die Revision gegen einen Antrag auf Erstattung von Zöllen zurückgewiesen und zugleich einige grundsätzliche Feststellungen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf die künftige zollwertrechtliche Beurteilung von Geschäften zwischen verbundenen Konzerngesellschaften haben können.
Im „Hamamatsu-Fall“ ging es um die deutsche Tochtergesellschaft einer japanischen Muttergesellschaft, die bei der Zollwertanmeldung den Verkaufspreis zur Bestimmung des Transaktionswerts ihrer eingeführten Waren heranzog. Zwischen den Konzerngesellschaften und mit den deutschen Steuerbehörden (ohne Beteiligung der Zollverwaltung) wurde sich im Rahmen eines Advance Pricing Agreements (APA) darauf verständigt, dass der konzerninterne Verrechnungspreis auf der Grundlage der „Restgewinnaufteilungsmethode“ ermittelt wird. Entsprechend wurden am Ende eines jeden Geschäftsjahres Ausgleichszahlungen geleistet, die entweder der deutschen Gesellschaft gutgeschrieben oder von ihr abgebucht wurden. Dem Streitfall lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem die deutsche Tochtergesellschaft rückwirkend pauschale Preisnachlässe erhalten hatte. Diese führten zu einem Antrag auf Erstattung von Zöllen aufgrund einer rückwirkenden Herabsetzung der angemeldeten Einfuhrzollwerte.
Die Erstattung wurde letzten Endes vom Finanzgericht auf Grundlage des EuGH-Urteils vom 20. Dezember 2017 in der Rechtssache C-529/16 abgelehnt und hat in der Zollwelt große Aufmerksamkeit erregt.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts hat die Klägerin Revision eingelegt – diese wurde nun ebenfalls zurückgewiesen.
Der Gerichtshof vertrat den allgemeinen Standpunkt, dass rückwirkende Preisanpassungen, d. h. selbst wenn sie außerhalb der Durchführung eines APA auf der Grundlage der Anwendung eines Verrechnungspreismechanismus mit Ausgleichszahlungen vorgenommen werden, „keinen Einfluss auf den endgültigen Zollwert“ haben; dies ist auf die unklaren Auswirkungen in Bezug auf Höhe und Auswirkungen zum Zeitpunkt der Einfuhr zurückzuführen. Diese Aussage des Gerichtshofs könnte brisant sein, da damit auch die nachträgliche Erhebung von Zöllen ausgeschlossen wäre.
Im vorliegenden Fall war der Zollverwaltung zum Zeitpunkt der Einfuhr nicht bekannt, dass Preisanpassungen rückwirkend vorgenommen werden würden. Ob dies bedeutet, dass bei einer vorherigen Absprache mit der Zollverwaltung die Beurteilung anders ausfallen würde, sei dahingestellt. Da aber auch im Falle einer vorherigen Absprache, dass ein rückwirkender Ausgleich vorgenommen wird, die Unklarheit über die Höhe der Ausgleichszahlung und ob eine Anpassung nach oben oder nach unten erfolgt, bestehen bleibt, ist eine abweichende Beurteilung in einem solchen Fall als unwahrscheinlich anzusehen.
In diesem Zusammenhang sind die folgenden grundsätzlichen Feststellungen des Bundesfinanzhofs zu erwähnen:
Die Transaktionswertmethode, d. h. die Ermittlung des Zollwerts auf der Grundlage des Rechnungsbetrags, ist in solchen Fällen ausgeschlossen, in denen der Wert der eingeführten Waren zum Zeitpunkt der Einfuhr nicht ermittelt werden kann, da sich dieser Wert aus dem Rechnungsbetrag und einer pauschalen Berichtigung zusammensetzt, die zum Zeitpunkt der Einfuhr nicht ermittelt werden kann. Diese Auffassung beruht auf dem oben genannten EuGH-Urteil und ist somit nicht neu.
Die sogenannte Auffangmethode zur Ermittlung des Zollwerts ist in diesem Fall aus den gleichen Gründen ausgeschlossen: „Daraus folgt, dass das Urteil des EuGH, wonach der Zollkodex es nicht zulässt, einen vereinbarten Transaktionswert als Grundlage für die Berechnung des Zollwerts heranzuziehen, wenn dieser Transaktionswert zum Teil aus einem ursprünglich in Rechnung gestellten und gemeldeten Betrag und zum Teil aus einer pauschalen Anpassung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums besteht, ohne dass erkennbar ist, ob diese Anpassung am Ende des Abrechnungszeitraums nach oben oder nach unten erfolgt, letztlich auch für die Ermittlung des Zollwerts nach der Rückgriffsmethode gemäß Art. 31 Zollkodex maßgebend ist.“ (Urteil, Rn. 49).
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sind rückwirkende Preisanpassungen für die Ermittlung des Zollwerts unerheblich: „Jedenfalls im Rahmen aller Zollwertermittlungsverfahren ist eine solche Verrechnungspreisberichtigung, die als ertragsteuerliches Instrument der Streitvermeidung und der Reduzierung von Verrechnungspreisrisiken dient (vgl. Liebchen in Mössner u. a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 5. Aufl., Rz. 13.50; vgl. auch Drüen in Wassermeyer MA Art. 25 MK, Rz. 110), hat – aufgrund der nachweislichen waren- und stichtagsbezogenen Natur der Zollwertermittlung – keinen Einfluss auf den endgültigen Zollwert.“ (Urteil, Rn. 59).
Die vorstehende Feststellung bezieht sich nicht nur auf rückwirkende Anpassungen nach unten, sondern, so der Bundesfinanzhof, ausdrücklich auch auf Anpassungen nach oben. Dies hat zur Folge, dass auch rückwirkende Preiserhöhungen, die eine Erhöhung des Zollwerts nach sich ziehen würden, unberücksichtigt bleiben müssen.
Gleichzeitig muss betont werden, dass die Urteile des Bundesfinanzhofs – anders als die des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) – natürlich keine unmittelbare Wirkung für die Gesamtheit der Europäischen Union haben. Dennoch bleibt es spannend, die zukünftigen Auswirkungen dieser Entscheidungen zu beobachten, die das EU-weite Zollwertrecht (und in den Grundzügen das Zollwertrecht praktisch weltweit) betreffen.
Quelle: wts.com/global/