E-Commerce, Market Insights, Newsroom | 9. November 2023

Black Friday im Zeichen dynamischer Preise

Die komplizierte Preisgestaltung im elektronischen Handel kann den Verbrauchern Kopfzerbrechen bereiten, vor allem, wenn ein so großes Ereignis wie der Schwarze Freitag bevorsteht. Und vergessen wir nicht das ganze Tohuwabohu um Amazons "Projekt Nessie" - es ist eine klare Erinnerung daran, dass selbst die großen Akteure erwischt werden können, wenn sie mit der Preisgestaltung herumspielen. von

Die Lage ist dieser Tage angespannt: Kriege und Krisen überschatten den Alltag, da mag echte Shoppinglust so recht nicht aufkommen, vom Novemberwetter mal ganz abgesehen.

Der Handel wird sich dieses Jahr etwas einfallen lassen müssen, um den konsummüden Kaufgeist in 2023 zu erwecken. Wenn man den täglich mehr werdenden und, zugegeben, nervigen Bannern am Screen glauben kann, winkt dieser mit satten Preisnachlässen, stationär wie digital, und bringt die ein oder andere Kreditkarte an diesem Wochenende zum Glühen. Echte Schnäppchen einheimsen, lautet die Devise. Und ganz ehrlich, wer mag es einem verdenken? Schließlich purzeln die Preise. Scheinbar. Doch schauen wir genauer hin, es ist wieder soweit, der 11.11. naht:

Für den Handel läutet der sogenannte Singles-Day die damit verbundene umsatzstarke Vorweihnachtszeit ein.

 

Und Ende November, so hoffen stationärer Handel wie E-Commerce gleichermaßen, klingeln die Kassen dann richtig. Immer nach Thanksgiving, dem vierten Donnerstag im November, beginnt für Händler und Konsumenten -vor allem in den USA- die heißersehnte Zeit der Superlative: Black Friday und Cyber Monday. Diese Tage, die einst als einzelne Verkaufsevents begannen, haben sich zu einer ausgedehnten Handelsperiode entwickelt, die das Potential birgt, die Bilanzen des Einzelhandels nach oben schnellen zu lassen. In Deutschland wird der amerikanische Trend vor allem seit 2013 zelebriert, auch wenn Apple diesen hierzulande bereits 2006 etablierte und, damals noch sperrig formuliert, als „eintägigen Shopping Event“ anpries.

Die Ursprünge des Black Friday liegen in der Heimat des Konsums, in den Vereinigten Staaten, wo Händler nach dem Thanksgiving-Tag traditionell ihre Bilanzen von Verlusten zu Gewinnen wendeten.

2023: Moderates Wachstum in Deutschland erwartet

Der Handelsverband Deutschland (HDE) prognostiziert für die diesjährigen Aktionstage einen Umsatz von 5,8 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anstieg von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr – ein moderates Wachstum, das die Zeiten des rasanten Anstiegs hinter sich zu lassen scheint.

„Die großen Wachstumsschübe der vergangenen Jahre bleiben aus. Die Verbraucherstimmung ist gedämpft, und das spiegelt sich auch in einer zurückhaltenderen Schnäppchenjagd wider“, erklärt Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE. Nach einem Umsatzplus von 20 Prozent im Vorjahresvergleich, ist in diesem Jahr nur noch von einem Plus von drei Prozent die Rede. Dennoch bedeutet dies einen Zuwachs von 200 Millionen Euro auf 5,8 Milliarden Euro.

Interessanterweise zeigt sich gleichzeitig eine steigende Bereitschaft der Konsumenten, die Aktionstage für gezielte Einkäufe zu nutzen. Eine vom HDE in Auftrag gegebene Studie des IFH Köln offenbart, dass fast die Hälfte der befragten Onlineshopper plant, am Black Friday aktiv zu werden – eine Steigerung gegenüber den 42 Prozent des Vorjahres. Für den Cyber Monday zeigen sich ähnliche Tendenzen: Hier planen mehr als ein Drittel der Befragten, die Angebote zu nutzen, gegenüber 26 Prozent im Jahr zuvor. „Die Beliebtheit von Black Friday und Cyber Monday wächst stetig“, so Tromp.

Diese Entwicklung unterstreicht die Bedeutung der beiden Aktionstage im Weihnachtsgeschäft. Laut der Umfrage beabsichtigen in diesem Jahr 56 Prozent der Black Friday- und 46 Prozent der Cyber Monday-Shopper, ihre Weihnachtseinkäufe zumindest teilweise an diesen Tagen zu erledigen. Damit belaufen sich die Ausgaben für Weihnachtseinkäufe während der Aktionstage auf etwa 1,65 Milliarden Euro – ein Wert, der nahezu identisch mit dem des Vorjahres ist.

Der E-Commerce hat die Tage des Konsums für sich entdeckt und lockt über mehrere Wochen hinweg – speziell in der sogenannten Black Week und der darauffolgenden Cyber Week – mit Rabattaktionen. Die Plattform Idealo, die Preise vergleicht, beobachtet, dass sich der November insgesamt zu einer Zeit der Preisnachlässe entwickelt hat. Eine von der Plattform durchgeführte Preisuntersuchung stützt diese Beobachtung: Im vergangenen Jahr waren Produkte in 86 der 100 populärsten, auf idealo.de analysierten Kategorien im Durchschnitt preiswerter im November als im Oktober. Interessanterweise zeigte sich, dass an einigen Tagen im November die Preise sogar unter denen des Black Fridays lagen – dies traf auf 61 Kategorien zu.

Preiskampf im Netz: Wenn billig kaufen teuer zu stehen kommt

Ein Klick, ein Schnäppchen, ein kurzes Hoch – das ist die Versuchung, die uns der E-Commerce mit seiner Niedrigpreisstrategie täglich vor Augen führt. Es ist ein verlockendes Spiel: Wer bietet weniger, wer gibt mehr Rabatt, wer macht das Rennen um den preisbewussten Kunden? Doch hinter dem glitzernden Vorhang der Sonderangebote verbirgt sich eine komplexe Wahrheit, die weit über das schnelle Sparvergnügen hinausgeht.

Die Niedrigpreisstrategie, einst als revolutionäres Werkzeug gepriesen, um den Markt zu erobern, zeigt ihre Schattenseiten. Ein Preis, der zu tief angesetzt ist, kann zwar kurzfristig die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen lassen, aber was geschieht danach? Die Qualität des Produkts, die Nachhaltigkeit des Unternehmens, die Zufriedenheit des Kunden – all das kann unter einem zu aggressiven Preisdumping leiden.

Doch die digitale Welt schläft nicht, und so haben findige Köpfe Tools entwickelt, die den Markt beobachten, Preise vergleichen und den Händlern ermöglichen, ihre Angebote in Echtzeit anzupassen. Diese Instrumente sind mittlerweile zu unverzichtbaren Bestandteilen des Online-Handels geworden, einem Schachspiel, bei dem jeder Zug wohlüberlegt sein muss.

Was bedeutet das für Konsumenten? Es ist ein Aufruf, bewusster zu kaufen. Es geht nicht darum, den niedrigsten Preis um jeden Preis zu jagen, sondern um das beste Gesamtpaket. Denn am Ende des Tages ist es nicht der Preis allein, der zählt, sondern das Gefühl, das richtige Produkt für den richtigen Wert erworben zu haben  – die digital Customer Experience zählt!

Die Niedrigpreisstrategie im E-Commerce ist eben auch eine riskante Gratwanderung zwischen Verführung und Vernunft, zwischen kurzfristigem Gewinn und langfristiger Kundenzufriedenheit. Und klar ist auch, dass ein Umdenken stattfinden muss – nicht nur bei den Händlern, die strategisch klug handeln müssen, sondern auch bei den Verbrauchern, die entscheiden, wann billig wirklich günstig ist.

Projekt Nessie: Abzocke- Algorithmus beschert Amazon Milliarden

Schnell aber kann sich ein solches Tool auch zum Eigentor entwickeln, wie sich im folgenden Fall herausstellt:  Im September dieses Jahres hatten die US-Kartellbehörden “Federal Trade Comission“ (FTC) als auch 17 Bundesstaaten eine Kartellklage gegen Amazon eingereicht. Schwerwiegende Vorwürfe stehen laut epochtimes  im Raum: Vor allem das Projekt „Nessie“, ein manipulativer Algorithmus, steht im Fokus der Anklageschrift. Es heißt, dass Amazon die US-Konsumenten um mehr als eine Milliarde Dollar durch diesen Preisfindungsmechanismus auf Grund der „illegalen Aufrechterhaltung einer Monopolstellung“ geprellt habe. Amazon indes streitet alles ab, vielmehr stellt der FTC die Sache falsch dar, gibt sich der Online-Händler trotzig. Außerdem habe man Nessie abgeschaltet. Der FTC beharrt aber darauf, dass Amazon das Projekt Nessie nach Bedarf Ein- und ausgeschaltet habe, mittels flexibler Handhabung, um ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen.

Manipulierte Preisniveaus der Märkte

Die FTC bezeichnete den Algorithmus von Nessie als “unlautere Wettbewerbsmethode”, weil er andere Online-Shops so manipuliert, dass sie ihre Preise erhöhen, was Amazon wiederum ermöglicht, dasselbe zu tun.

Amazon nutzte diese Marktdynamik aus, indem es bewusst Produkte zu überhöhten Preisen anbot und diese Preise beibehielt, selbst nachdem andere Marktteilnehmer ihre Preise angepasst hatten. Die Federal Trade Commission (FTC) berichtet, dass selbst ein Rückgang der Verkaufszahlen aufgrund der hohen Preise Amazon nicht beeinträchtigte. Trotz niedrigerer Bruttoverkaufseinnahmen stiegen die Gewinne im Jahr 2015 um 363 Millionen US-Dollar und 2018 um weitere 334 Millionen US-Dollar. Durch das sogenannte “Projekt Nessie” konnte Amazon somit zusätzliche Gewinne in Milliardenhöhe erzielen.

Amazon verteidigt “Projekt Nessie” als eine Maßnahme gegen den ruinösen Preiskampf. Tim Doyle, ein Sprecher von Amazon, erklärte gegenüber Reuters, dass das Preisfindungstool gerade dazu dienen sollte, einen solchen Wettbewerb zu verhindern: “Nessie wurde entwickelt, um zu vermeiden, dass unsere Preisanpassungen zu extremen Ergebnissen führen, die wirtschaftlich nicht tragbar sind.”

Die Inflation machte jedoch Anpassungen notwendig, und CEO Doug Herrington bat darum, “Nessie” mit einer neuen Logik wiederzubeleben, um die Rentabilität von Amazon nicht zu gefährden.

Die FTC wirft Amazon weiter vor, im Rahmen von “Projekt Nessie” Beweise vernichtet zu haben, indem die Funktion zum Löschen von Nachrichten in der App “Signal” genutzt wurde, um Kommunikationen zwischen 2019 und 2022 zu beseitigen. Des Weiteren soll Amazon Anti-Rabatt-Strategien und Zwangsmaßnahmen eingesetzt haben, um Konkurrenten daran zu hindern, Marktanteile zu gewinnen. Es soll Strafen für Händler gegeben haben, die Produkte woanders günstiger als auf Amazon anboten.

Amazon wird zudem beschuldigt, gezielt Pay-to-Play-Strategien und minderwertige Werbung in seinem Online-Shop eingesetzt zu haben. Die “Pay-to-Play”-Strategie im Marketing bezieht sich darauf, dass Unternehmen Geld bezahlen müssen, um ihre Inhalte oder Anzeigen auf Plattformen oder in Medien zu platzieren, um eine größere Reichweite und Sichtbarkeit zu erzielen. Diese kostenpflichtige Praxis ermöglicht es ihnen, sich in einem wettbewerbsintensiven Umfeld von anderen abzuheben und ihre Botschaft gezielter an ihre Zielgruppe zu richten.

Jeff Bezos selbst soll seine Führungskräfte angewiesen haben, selbst fehlerhafte Werbung zu akzeptieren, um den erwarteten Gewinn zu sichern, obwohl man sich der negativen Auswirkungen auf die Verbraucher bewusst war.

Ein weiterer Punkt, der im Kartellverfahren untersucht werden soll, ist die Praxis, Verkäufer dazu zu verpflichten, Amazons Logistik- und Lieferdienste zu nutzen. Die Möglichkeit, Amazon Prime ohne die Option “Fulfillment by Amazon” zu nutzen, hatte Verkäufer dazu ermutigt, eigene Lager zu betreiben. Da dies jedoch den Wettbewerbsvorteil von Amazon schmälerte, wurde ihnen untersagt, günstigere oder andere Dienste zu nutzen. Die FTC sieht darin ein kartellrechtliches Fehlverhalten.

Was gilt es zu beachten?

Angebote und Preise im E-Commerce schwanken, sie sind einem ständigen Wandel unterworfen, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Hier eine Analyse der Dynamiken, die hinter der Preisgestaltung stehen:

  • Individuelle Präferenzen: Digitale Verkaufsplattformen nutzen Algorithmen, um Produkte zu empfehlen, die auf den individuellen Vorlieben der Kunden basieren. So könnte einem begeisterten Läufer automatisch die neueste Generation von Laufschuhen oder saisonales Zubehör wie Stirnlampen für das Laufen in der Dunkelheit vorgeschlagen werden. Diese personalisierten Empfehlungen werden aus der Such- und Kaufhistorie des Nutzers abgeleitet. Neukunden, die noch keine Einkaufshistorie aufweisen, bekommen häufig Bestseller, attraktive Angebote oder Neuheiten präsentiert.
  • Zeitliche Schwankungen: Einige E-Commerce-Plattformen passen ihre Preise im Tagesverlauf dynamisch (Was bedeutet Dynamic Pricing? – eClear) an, basierend auf Faktoren wie Nachfrageänderungen oder Preisbewegungen der Konkurrenz. Untersuchungen von Verbraucherschutzorganisationen haben aufgedeckt, dass beispielsweise Autoteile bei bestimmten Anbietern vormittags teurer sein können als am Nachmittag des Vortages.
  • Saisonalität: Die Nachfrage nach bestimmten Produkten variiert je nach Saison, was sich in Preissteigerungen oder -senkungen niederschlägt. Konsumenten, die antizyklisch und mit Bedacht einkaufen, können oft von günstigeren Preisen profitieren. Auch der Zeitpunkt der Markteinführung neuer technischer Geräte spielt eine Rolle bei der Preisgestaltung.
  • Online-Verhalten: Durch Cookies erhalten Online-Händler Einblick in das Surfverhalten ihrer Kunden. Sie erfahren, welche Produkte zuvor recherchiert wurden, kennen die Interessen, den Standort und möglicherweise die Kaufkraft der Nutzer. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Artikel im Shop bevorzugt dargestellt werden. Durch das Löschen von Cookies können solche personalisierten Angebote unterbunden werden.
  • Wohnort: Die geografische Lage kann Aufschluss über das Kaufverhalten geben. Personen, die in teureren Wohngegenden leben, könnten eher bereit sein, mehr für bestimmte Produkte auszugeben. Der Wohnort kann auch die verfügbaren Zahlungsmethoden beeinflussen.
  • Verwendetes Endgerät: Die Art des verwendeten Geräts kann ebenfalls Rückschlüsse auf das Konsumverhalten zulassen. Nutzer mit hochpreisigen Smartphones oder Tablets könnten auch an anderen hochwertigen Produkten interessiert sein. Einige Online-Reiseagenturen bieten bereits spezielle Preise für Nutzer mobiler Endgeräte an. Obwohl der Einfluss des Endgeräts auf die Preisgestaltung noch begrenzt ist, könnten zukünftig differenzierte Preise auf Basis dieser Information festgelegt werden.

Ungefragte Ratschläge sind in der Regel nicht sonderlich beliebt. Gut so!  Daher vielleicht nur Folgendes: Augen auf beim Kauf. Nicht dem ersten Reflex nachgeben und vermeintliche Schnäppchen eilig in den Warenkorb legen, sondern auf Vergleichsportalen die Preise noch mal recherchieren und sich im eventuellen Kaufrausch möglicherweise selbstkritisch fragen: Brauche ich das wirklich?  Wie steht der Händler bzw. Produzent zum Thema Nachhaltigkeit? Dann gibt es hinterher auch keine ungewollten Überraschungen getreu dem Motto: You get what you pay for…

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